Die Kirche und das Strafrecht in der EU

Die Kirche und das Strafrecht in der EU

Obwohl es oft viele Hinweise, Aussagen oder Erfahrungsberichte von Betroffenen gibt, kommt es in der strafrechtlichen Praxis oft nicht zu einer Anklage oder Verurteilung. Der Hauptgrund: die Beweislast.

Was heißt „Beweislast“?

In einem Strafverfahren gilt der Grundsatz:

„Im Zweifel für den Angeklagten“ (in dubio pro reo).
Die Staatsanwaltschaft muss den Tathergang zweifelsfrei beweisen – nicht der Beschuldigte seine Unschuld.

Das bedeutet:

  • Es braucht konkrete Beweise, z. B.:
    • medizinische Gutachten,
    • glaubhafte, belastbare Zeugenaussagen,
    • Fotos, Dokumente, Tagebücher,
    • Geständnisse,
    • oder zumindest mehrere übereinstimmende Aussagen von Betroffenen und Zeugen.
  • Die bloße Aussage eines Opfers ist zwar nicht wertlos, aber sie muss detailliert, konsistent und glaubwürdig sein – und darf sich nicht in Widersprüche verstricken.

Problem 1: Zeitlicher Abstand

Viele Fälle werden erst Jahrzehnte später öffentlich:

  • Täter sind oft schon tot, dement – oder nicht mehr auffindbar.
  • Es gibt keine physischen Spuren mehr.
  • Zeugen von damals leben nicht mehr oder erinnern sich nicht genau.

Das erschwert eine gerichtsfeste Beweisführung massiv.


Problem 2: Machtgefälle & Schweigen

Gerade bei kirchlichen Tätern:

  • Die Opfer waren Kinder, der Täter eine „respektierte Autorität“.
  • Viele Kinder haben aus Angst, Scham oder Schuldgefühlen nie darüber gesprochen.
  • Wenn sie Jahrzehnte später aussagen, zweifeln Verteidiger ihre Erinnerung an.

Die Glaubwürdigkeit wird oft systematisch angegriffen.


Problem 3: Interne Vertuschung

Viele Beweise (z. B. interne Kirchenakten, Beschwerden, Hinweise) wurden:

  • vernichtet,
  • nicht dokumentiert,
  • bewusst nicht weitergegeben.

Dadurch fehlen Staatsanwälten wichtige Spuren – auch wenn die Taten real sind.


Warum ist die Beweisführung bei Missbrauchsfällen so schwierig?

1. Zeitlicher Abstand

Viele Fälle werden erst Jahre oder Jahrzehnte später bekannt. Spuren und Beweise sind dann meist nicht mehr vorhanden, und Zeug*innenerinnerungen verblassen.

2. Machtungleichgewicht und Schweigen

Die Täter hatten oft Autorität über die Opfer, die häufig Kinder waren. Angst, Scham und psychische Folgen verhindern oft frühzeitiges Reden. Späte Aussagen werden von Verteidigern oft angezweifelt.

3. Fehlende oder vernichtete Unterlagen

Kirchliche Vertuschung und mangelnde Dokumentation erschweren Ermittlungen.

4. Verjährung

In vielen Ländern gibt es Verjährungsfristen, nach denen kein Strafverfahren mehr möglich ist.


Wie gehen EU-Länder mit der Beweislast und Missbrauchsfällen um?

Österreich

  • Verjährung: Seit 2015 gibt es eine längere Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch von Kindern (30 Jahre ab Volljährigkeit des Opfers).
  • Meldpflicht: Institutionen sind verpflichtet, Missbrauchsfälle zu melden.
  • Herausforderung: Viele Fälle sind vor der Reform passiert und daher verjährt.

Deutschland

  • Verjährung: Seit 2013 sind sexuelle Straftaten gegen Kinder bis 30 Jahre nach Vollendung des 18. Lebensjahres strafbar.
  • Beweisführung: Rechtliche Standards sind streng, was in der Praxis oft zu schwierigen Verfahren führt.
  • Reformen: Einführung von Präventionsprogrammen und verbesserte Schutzkonzepte.

Frankreich

  • Verjährung: Für sexuelle Gewalt an Minderjährigen wurde die Verjährungsfrist 2017 verlängert; für sehr schwere Fälle gibt es kaum Verjährung.
  • Politischer Druck: Nach Skandalen um Missbrauch an Schulen und in der Kirche gibt es öffentliche Debatten und parlamentarische Untersuchungen.
  • Meldesystem: Staatliche und kirchliche Meldepflichten.

Schweden

  • Verjährung: Keine Verjährung bei schweren Sexualstraftaten gegen Kinder.
  • Kinderschutz: Sehr strikte Kinderschutzgesetze und umfangreiche Unterstützungsangebote.
  • Beweislast: Wird durch umfangreiche Ermittlungsarbeit unterstützt, aber auch hier oft schwierig.

Italien

  • Verjährung: Verjährungsfristen existieren, wurden aber mehrfach verlängert, speziell für sexuelle Gewalt an Minderjährigen.
  • Kirchliche Verfahren: Die katholische Kirche führt neben staatlichen Prozessen oft eigene kirchenrechtliche Verfahren durch.
  • Staatliche Verfahren: Es gibt immer mehr öffentliche Prozesse gegen Geistliche.

Niederlande

  • Verjährung: Abgeschafft für schwere Sexualstraftaten an Kindern.
  • Schutzmaßnahmen: Staatliche Programme zur Prävention und Tätertherapie.
  • Justiz: Kooperation zwischen Polizei und sozialen Diensten.

Fazit

Die hohe Beweislast im Strafrecht dient dazu, Unschuldige zu schützen und nur Schuldige zu verurteilen. Doch bei Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern, besonders in kirchlichen Kontexten, erschwert sie oft eine strafrechtliche Verfolgung.

Viele EU-Länder haben daher Verjährungsfristen verlängert oder aufgehoben und führen Präventions- und Unterstützungsprogramme ein. Dennoch bleiben die Herausforderungen groß – und der Ruf nach weiteren Reformen und mehr Transparenz laut.

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